Physiker weisen mit neuem Modell Effekte von "Social Distancing" nach

Simulationen von Physikern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) zeigen, dass die Zahl der Infektionen durch Social Distancing, also des Abstandhaltens um Ansteckungen zu vermeiden, tatsächlich deutlich sinkt.

Social Distancing: Strategie des Abstandhaltens um Ansteckungen zu vermeiden wirkt

Dafür haben die Physiker Michael te Vrugt, Jens Bickmann und Prof. Dr. Raphael Wittkowski vom Institut für Theoretische Physik und Center for Soft Nanoscience der WWU ein neues Modell zur Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten entwickelt. Dabei nutzen sie unter anderem "dynamische Dichtefunktionaltheorie" (DDFT), eine in den 1990er-Jahren entwickelte Methode, welche die Beschreibung von wechselwirkenden Teilchen ermöglicht.

Zu Beginn der Corona-Pandemie kam ihnen die Idee, dass die gleiche Methode zur Beschreibung der Ausbreitung von Krankheiten hilfreich ist. "Menschen, die Social Distancing betreiben – die also versuchen, Abstand voneinander zu halten – kann man sich im Prinzip wie Teilchen vorstellen, die sich gegenseitig abstoßen, weil sie zum Beispiel die gleiche elektrische Ladung haben" erklärt Erstautor Michael te Vrugt.

Basierend auf dieser Idee entwickelten sie das sogenannte "SIR-DDFT-Modell", welches das SIR-Modell (eine bekannte Theorie zur Beschreibung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten) mit DDFT kombiniert. Die resultierende Theorie beschreibt Menschen, die sich gegenseitig anstecken können, die aber auch Abstand voneinander halten. 

"Sie ermöglicht es zudem, räumliche Hotspots von Infizierten zu beschreiben und damit die Dynamik von sogenannten 'Superspreader-Ereignissen', wie dem Karneval in Heinsberg oder Apres-Ski in Ischgl, besser zu verstehen," ergänzt Mitautor Jens Bickmann.

Das Ausmaß des Social Distancing wird dann durch die Stärke der abstoßenden Wechselwirkung beschrieben. "Dadurch kann man mithilfe der Theorie auch die Auswirkungen von Social Distancing testen, indem man eine Epidemie mit verschiedenen Werten der Parameter, die die Stärke der Wechselwirkung beschreiben, simuliert", erläutert Studienleiter Raphael Wittkowski.

Zahl der Infektionen durch Social Distancing sinkt

Die Simulationen zeigen, dass die Infektionszahlen durch Social Distancing tatsächlich deutlich sinken. Damit reproduziert das Modell den bekannten "Flatten-The-Curve-Effekt", bei dem die Kurve, die den zeitlichen Verlauf der Anzahl der Erkrankten beschreibt, als eine Folge des Abstand-Haltens deutlich flacher wird.

Gegenüber existierenden Theorien, so die Wissenschaftler, hat das neue Modell den Vorteil, dass die Auswirkungen von sozialen Interaktionen explizit modelliert werden können.

Die Studienergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht.