Deloitte: Wie digital ist das deutsche Gesundheitswesen?

86 Prozent des medizinischen Personals sehen großes Potenzial in den verschiedenen digitalen Technologien, dennoch kommen sie bisher nur langsam zum Einsatz. Dies ergab eine Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte. Das vier Milliarden Euro schwere Investitionsprogramm des Krankenhauszukunftsgesetzes dürfte jedoch als Beschleuniger für Digitalisierung wirken.

Digitalisierung Gesundheitswesen

Die Einführung neuer Lösungen scheitert der Studie zufolge oft an bürokratischen Hürden (61 Prozent), hohen Kosten (57 Prozent) und der Auswahl der passenden Technologie (42 Prozent).

Zwar habe das neuartige Coronoa-Virus bei 40 Prozent der medizinischen Einrichtungen spürbar als Digitalisierungsbeschleuniger gewirkt. Vergleiche man jedoch den digitalen Reifegrad von deutschen Krankenhäusern mit anderen europäischen Ländern, so falle auf, dass in Summe nur wenige Einrichtungen die höchsten Stufen des Reifegradmodells der Non-Profit-Organisation HIMSS erreichen, so Ibo Teuber, Director Health Care bei Deloitte.

Digitale Krankenakte am beliebtesten 

Aktuell kommen digitale Technologien im deutschen Medizinbetrieb laut der Studie vor allem für administrative Aufgaben zum Einsatz. Allem voran stehe die digitale Krankenakte, die von drei Vierteln der Befragten genutzt werde. Die Technologie erbringe zudem den erwarteten Nutzen: 78 Prozent sehen Vorteile für effizientes Arbeiten und eine gute Patientenversorgung. Weitere Technologien, die vielerorts zum Einsatz kommen, sind digitale Dienstpläne (52 Prozent) sowie spezifische Anwendungen für Klinikpersonal (44 Prozent).

Vorteile von Telemedizin noch nicht ausgenutzt

Ein gegensätzliches Bild zeichne sich bei der Telemedizin ab, also Technologien zur Betreuung von Patienten via Telefon und Videochat. Nur 30 Prozent des medizinischen Personals geben an, Telemedizin zu nutzen. Einen Vorteil für die Patientenversorgung sehen hier jedoch mehr als doppelt so viele Befragte (64 Prozent). 

Eine ähnliche Diskrepanz gebe es auch bei Online-Terminbuchungsmöglichkeiten: Nur 38 Prozent der Einrichtungen nutzen aktuell ein solches System, obwohl 63 Prozent des medizinischen Personals große Vorteile für die Patientenversorgung sehen. 

Die derzeit viel diskutierte Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und Virtual Reality (VR) werde hingegen europaweit nur sehr vereinzelt genutzt. Im deutschen Gesundheitswesen wenden 7 Prozent des medizinischen Personals KI und 4 Prozent VR an. Immerhin glaubt ein Drittel der Befragten, dass diese Technologien Vorteile für die Patientenversorgung bringen könnten.

Vor allem organisatorische Hürden

Bevor neue Technologien eingeführt werden, seien im deutschen Gesundheitssystem vor allem organisatorische Hürden zu überwinden. Das medizinische Personal sieht sich konfrontiert mit Bürokratie (61 Prozent), hohen Kosten (57 Prozent) und Schwierigkeiten, die passende Technologie zu finden (42 Prozent).

Bis zur vollkommen digitalisierten medizinischen Organisation ist es aus Sicht vieler Befragter noch ein längerer Weg. Wichtig dabei sei, das gesamte medizinische Personal auf dem Weg der Digitalisierung mitzunehmen. „Digitalisierung bedeutet auch eine Veränderung der Kultur. Dafür müssen Technologien stärker in den Arbeitsalltag integriert und das gesamte medizinische Personal intensiver geschult werden. Nur wenn sie in die technischen Fortschritte einbezogen werden, kann das volle Potenzial der Digitalisierung ausgeschöpft werden“, empfiehlt Teuber.

Zur Studie

Für die Studie „Shaping the future of European healthcare“ wurde medizinisches Personal in insgesamt sieben europäischen Ländern befragt (N=1.781). In Deutschland wurden dazu die Einschätzungen von 400 Allgemeinärzten, Fachärzten und Chirurgen sowie Krankenpflegern auf verschiedensten Erfahrungsleveln erfasst.

Die vollständige Studie zum Download: Closing the digital gap – Shaping the future of European healthcare