Digitaler Graben zwischen Kliniken und Praxen

Während Ärzte in Kliniken mehrheitlich offen für digitale Gesundheitsangebote sind, zeigen sich Ärzte in Praxen skeptischer. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die der Digitalverband Bitkom gemeinsam mit dem Ärzteverband Hartmannbund unter mehr als 500 Ärzten in Deutschland durchgeführt hat.

Tempo der Digitalisierung in Krankenhäusern und Praxen unterschiedlich

Demnach sehen 86 Prozent der Klinik-Ärzte in der Digitalisierung primär Chancen für das Gesundheitswesen – 10 Prozent halten die Digitalisierung für ein Risiko. Bei den Praxis-Ärzten betonen lediglich 53 Prozent die Chancen – und 39 Prozent die Risikoperspektive.

Zugleich wünschen sich der Umfrage zufolge vor allem Klinik-Ärzte, dass es bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens schneller vorangeht: 82 Prozent der Mediziner in Krankenhäusern sagen, es sei mehr Tempo beim Ausbau digitaler Angebote nötig. Unter den Praxis-Ärzten sind es lediglich 38 Prozent.

„Deutschlands Ärzte stehen der Digitalisierung durchschnittlich sehr positiv und voller Erwartungen gegenüber. Allerdings: Zwischen den Ärzten in Kliniken und Praxen öffnet sich ein digitaler Graben“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. 

„Die Corona-Pandemie hat den Gesundheitssektor vor riesige Herausforderungen gestellt. Während Ärzte und Pflegende Höchstleistungen für ihre Patienten erbringen und immense Belastungen schultern, werden die Defizite schonungslos offengelegt", so Berg. Dazu zählten die Nachverfolgung von Infektionsketten, die Information potenziell Infizierter oder jetzt die Terminvergabe bei der Schutzimpfung. Zettelwirtschaft, analoge Prozesse und hohe Datenschutzhürden sorgten noch immer für Verzögerungen, unnötigen Mehraufwand und Informationsdefizite.

Einen deutlichen Zuwachs habe es beim Angebot von Video-Sprechstunden gegeben.„Videosprechstunden werden während der Corona-Pandemie sehr viel häufiger genutzt und die Nachfrage auf Seiten der Patienten ist so hoch wie noch nie. Viele Ärzte haben darauf reagiert“, sagt Berg. Dazu beigetragen habe, dass in der Pandemie die vormals hohen bürokratischen Hürden für Video-Sprechstunden deutlich gelockert und das Vergütungsmodell angepasst wurde.

Die elektronische Patientenakte (ePa) weckt der Umfrage zufolge bei vielen Ärzten große Hoffnungen: Fast 9 von 10 Klinik-Ärzten (89 Prozent) erwarten durch die ePa eine einfachere Zusammenarbeit zwischen Ärzten – bei den Praxis-Ärzten sind es 54 Prozent. Zugleich sehen Klinik-Ärzte (76 Prozent) wie Praxis-Ärzte (85 Prozent) die Gefahr des Datenmissbrauchs. Insbesondere Praxis-Ärzte fürchten hohe Investitionskosten (60 Prozent / Klinik-Ärzte: 28 Prozent), jeder zweite Praxis-Arzt (52 Prozent) sieht auch eine schwierige Integration der ePa in den eigenen Behandlungsalltag.

„Die elektronische Patientenakte ist ein Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Indem sie Befunde, Diagnosen und Behandlungsberichte digital vereint, bietet sie einen schnellen und besseren Überblick für Ärzte und Patienten“, betont Berg. „Für die Ärzte wird sie dort den größten Nutzen entwickeln, wo bereits digitale Prozesse eingeführt sind.“

Dafür, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht schneller voranschreitet, hat nach der Studie vielfältige Gründe. Die große Mehrheit der Ärzte (84 Prozent) nennt als Ursache die Komplexität des Gesundheitssystems, drei Viertel (78 Prozent) empfinden den Aufwand für IT-Sicherheit und Datenschutz als zu hoch. Mehr als jeder zweite Arzt (56 Prozent) stellt aber auch eine mangelnde Digitalkompetenz seiner Patienten fest. 43 Prozent sehen bei den Ärzten selbst Nachholbedarf.

Zur Präsentation Medizin 4.0 – wie digital sind Deutschlands Ärzte?